Leadership

Die Geschichte von Alex – Vom Visionär zum Getriebenen

Alex war einmal das, was man einen inspirierenden Unternehmer nennt. Seine Produkte waren innovativ, seine Teams loyal, und seine Kunden – ja, die waren begeistert. Menschen wollten mit ihm arbeiten, nicht nur wegen des Erfolgs, sondern wegen der Art, wie er sie behandelte: mit Wertschätzung, Offenheit und dem echten Wunsch, gemeinsam etwas Bedeutungsvolles zu schaffen.

Doch in den letzten zwei Jahren hat sich etwas verändert.

Zunächst waren es Kleinigkeiten: weniger Zeit für Gespräche mit den Mitarbeitenden, Entscheidungen, die immer öfter „von oben herab“ getroffen wurden. Bald darauf folgten harsche Rückmeldungen an Teammitglieder, Abbrüche von Partnerschaften, und schließlich – ein nahezu aggressiver Fokus auf Zahlen, Margen, Skalierung, Gewinnmaximierung. Es schien, als wäre Alex nicht mehr der Mensch, den sein Umfeld kannte. Er war zunehmend gereizt, misstrauisch gegenüber Feedback, ungeduldig mit Fehlern – und zunehmend einsam.

Was war passiert?

Aus psychologischer Sicht lässt sich Alex’ Wandel als eine Verschiebung seiner inneren Motivstruktur erklären. Früher war er ein Sinn-getriebener Unternehmer – angetrieben von dem Wunsch, etwas zu bewirken, eine Idee in die Welt zu bringen. Doch irgendwann wurde der äußere Erfolg zur inneren Messlatte. Applaus, Wachstum, Anerkennung – all das hatte eine belohnende Wirkung. Und wie bei vielen erfolgreichen Menschen, die ein Ziel erreicht haben, kam irgendwann die Frage: „Was jetzt?“

In diesem Moment begann sich Alex mehr mit dem Outcome als mit dem Impact zu identifizieren. Seine Identität verlagerte sich von „Ich bin ein Unternehmer, der Dinge möglich macht“ hin zu „Ich bin jemand, der erfolgreich ist – und Erfolg heißt: mehr Geld, mehr Wachstum, mehr Kontrolle.“

Was Alex übersah:
Dieser Wandel führte zu einer inneren Entfremdung. Der Mensch, der einst mit Leidenschaft Teams inspirierte, wurde zu jemandem, der andere als Mittel zum Zweck behandelte. Es war nicht böse gemeint – aber er hatte den Blick für das Menschliche verloren, weil er sich selbst aus den Augen verlor.

Aus Sicht des Leadership-Coachings

Ein starker Leader braucht Klarheit über seine eigenen Werte und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wenn diese verloren gehen, verliert Führung ihre Tiefe – und ihre Wirkung.

Alex zeigte klassische Symptome von überhöhter Leistungsidentifikation:

  • Er konnte Schwäche weder bei sich noch bei anderen akzeptieren.

  • Er reduzierte Beziehungen auf ihren Nutzen.

  • Er hörte auf, sich Feedback wirklich zu stellen – weil es ihn infrage stellen könnte.

  • Er verwechselte Kontrolle mit Einfluss, und Effizienz mit Leadership.

Und das hatte Folgen. Mitarbeiter gingen. Langjährige Geschäftspartner distanzierten sich. Nicht, weil Alex ein schlechter Mensch war – sondern weil sie das Gefühl hatten, für ihn nur noch Mittel zum Zweck zu sein. Und genau das ist der Punkt, an dem Unternehmenskulturen kippen.

Was Alex jetzt bräuchte

Nicht ein neues Produkt. Kein größeres Funding. Sondern eine Pause – und den Mut, sich selbst zuzuhören.
In einem Coaching würde ich ihn fragen:

  • Wann hast du das letzte Mal gespürt, warum du das alles überhaupt tust?

  • Wer bist du – jenseits von Zahlen und Erfolgen?

  • Würdest du deinem jüngeren Ich gefallen?

  • Und was ist dir wichtiger: dass Menschen auf dich stolz sind, oder dass sie dich bewundern?

Denn echte Führung beginnt immer mit Selbstführung.